In der Temporären Kapelle stehen ab Mitte Januar 2021 Orgelpfeifen, von denen Schläuche ausgehen. Sie ziehen sich durch den Raum und gelangen über ein Loch in der Wand nach draussen. Dort finden die Besucherinnen und Besucher grosse Trichter, die am Ende der Schläuche befestigt sind. Je nach Wetterlage wird Wind von den Trichtern eingefangen und über die Schläuche in den Innenraum zu den Orgelpfeifen transportiert. Mit etwas Glück und dem richtigen Timing ist der Kapelle ein leiser Klang der Pfeifen zu vernehmen, der vom Luftstrom ausgelöst wird.
Von aussen nach innen –
Natur und Kultur
In der neuen Ausstellung in der temporären Kapelle nehmen die Zürcher Künstler Christina Hemauer und Roman Keller somit einen Eingriff in den gebauten Raum vor. Sie verbinden Innen- und Aussen. Ziel ist, das Verständnis von Natur und Kultur zu hinterfragen. Sie führen so poetisch in eine Auseinandersetzung um Nachhaltigkeit und menschliche Eingriffe in die Umwelt. «Himmelstrichterrichtungshörer» nennen Hemauer und Keller ihre Intervention in der Temporären Kapelle. Die Idee rührt von einer Begebenheit im italienischen Atelier des Künstlerduos. Durch ein Lüftungsrohr hörten sie leise den Wind heulen. Sie nannten diesen Klang liebevoll «Spirito Giulio», da sich ihr Atelier an der Via Giulio Tanini befindet.
Nachhaltigkeit und Umweltzerstörung
Unser Denken hat seit Generationen Natur und Kultur voneinander getrennt. Kultur findet oft in Innenräumen statt und die Natur verbinden wir mit Draussen. Schauten wir heute aber in die Natur, so Hemauer und Keller, sahen wir fast immer eine Kulturlandschaft. Diese sei darum obsolet geworden und müsse neu gedacht werden. Derzeit wird eine Diskussion um die menschlichen Eingriffe in die Natur unter dem Oberbegriff «Anthropozän» geführt. Die Wirkung des Menschen ist über den Klimawandel so gross und tiefgreifend geworden, dass das Auftreten des Menschen ein Erdzeitalter begründet. Das Künstlerduo beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Einwirken des Menschen. So auch in ihrer Intervention «Himmelstrichterrichtungshörer», die sie in der Kapelle vorstellen. Mit wissenschaftlichem Blick, Scharfsinn, künstlerischem Schaffen und einem Hauch Ironie schaffen sie den Bogen zwischen Wissenschaft und Kunst, zwischen Mensch und Natur und zwischen Nachhaltigkeit und Umweltzerstörung
Anita Bättig, Kuratorin, David Hauser, reformiert, Nr. 01, 2020
21.5. – 17.7.2021
Dorfkirche Veltheim / Temporäre Kapelle
Felsenhofstrasse 8, Winterthur